Facta Ficta

vitam impendere vero

Nietzsche thinking

[MA-VM-310]

Gefahr im Reichthum

Nur wer Geist hat, sollte Besitz haben: sonst ist der Besitz gemeingefährlich. Der Besitzende nämlich, der von der freien Zeit, welche der Besitz ihm gewähren könnte, keinen Gebrauch zu machen versteht, wird immer fortfahren, nach Besitz zu streben: dieses Streben wird seine Unterhaltung, seine Kriegslist im Kampf mit der Langenweile sein. So entsteht zuletzt, aus mässigem Besitz, welcher dem Geistigen genügen würde, der eigentliche Reichthum: und zwar als das gleissende Ergebniss geistiger Unselbständigkeit und Armuth. Nun erscheint er aber ganz anders, als seine armselige Abkunft erwarten lässt, weil er sich mit Bildung und Kunst maskiren kann: er kann eben die Maske kaufen. Dadurch erweckt er Neid bei den Aermeren und Ungebildeten — welche im Grunde immer die Bildung beneiden und in der Maske nicht die Maske sehen — und bereitet allmählich eine sociale Umwälzung vor: denn vergoldete Roheit und schauspielerisches Sich-Blähen im angeblichen „Genusse der Cultur“ giebt jenen den Gedanken ein „es liegt nur am Gelde“, — während allerdings Etwas am Gelde liegt, aber viel mehr am Geiste.