Facta Ficta

vitam impendere vero

Nietzsche thinking

[MA-VM-52]

Es ist thöricht, Unrecht zu thun

Eigenes Unrecht, das man zugefügt hat, ist viel schwerer zu tragen als fremdes, das Einem zugefügt wurde (nicht gerade aus moralischen Gründen, wohlgemerkt —); der Thäter ist eigentlich immer der Leidende, wenn er nämlich entweder den Gewissensbissen zugänglich ist oder der Einsicht, dass er die Gesellschaft gegen sich durch seine Handlung bewaffnet und sich isolirt habe. Desshalb sollte man sich, schon seines inneren Glückes wegen, also um seines Wohlbehagens nicht verlustig zu gehen, ganz abgesehen von Allem, was Religion und Moral gebieten, vor dem Unrecht-Thun in Acht nehmen, mehr noch als vor dem Unrecht-Erfahren: denn letzteres hat den Trost des guten Gewissens, der Hoffnung auf Rache, auf Mitleiden und Beifall der Gerechten, ja der ganzen Gesellschaft, welche sich vor dem Uebelthäter fürchtet. — Nicht Wenige verstehen sich auf die unsaubere Selbstüberlistung, jedes eigene Unrecht in ein fremdes, ihnen zugefügtes umzumünzen und für das, was sie selber gethan haben, sich das Ausnahmerecht der Nothwehr zur Entschuldigung vorzubehalten: um auf diese Weise viel leichter an ihrer Last zu tragen.