Facta Ficta

vitam impendere vero

Nietzsche thinking

[MA-WS-114]

Litteratur und Moralität sich erklärend

Man kann an der griechischen Litteratur zeigen, durch welche Kräfte der griechische Geist sich entfaltete, wie er in verschiedene Bahnen gerieth und woran er schwach wurde. Alles das giebt ein Bild davon ab, wie es im Grunde auch mit der griechischen Moralität zugegangen ist und wie es mit jeder Moralität zugehen wird: wie sie erst Zwang war, erst Härte zeigte, dann allmählich milder wurde, wie endlich Lust an gewissen Handlungen, an gewissen Conventionen und Formen entstand, und daraus wieder ein Hang zur alleinigen Ausübung, zum Alleinbesitz derselben: wie die Bahn sich mit Wettbewerbenden füllt und überfüllt, wie Uebersättigung eintritt, neue Gegenstände des Kampfes und Ehrgeizes aufgesucht, veraltete in’s Leben erweckt werden, wie das Schauspiel sich wiederholt und die Zuschauer des Zuschauens überhaupt müde werden, weil nun der ganze Kreis durchlaufen scheint — und dann kommt ein Stillestehen, ein Ausathmen: die Bäche verlieren sich im Sande. Es ist das Ende da, wenigstens ein Ende.