[MA-WS-60]
Das Wort „Eitelkeit“
Es ist lästig, dass einzelne Worte, deren wir Moralisten schlechterdings nicht entrathen können, schon eine Art Sittencensur in sich tragen, aus jenen Zeiten her, in denen die nächsten und natürlichsten Regungen des Menschen verketzert wurden. So wird jene Grundüberzeugung, dass wir auf den Wellen der Gesellschaft viel mehr durch Das, was wir gelten, als durch Das, was wir sind, gutes Fahrwasser haben oder Schiffbruch leiden — eine Ueberzeugung, die für alles Handeln in Bezug auf die Gesellschaft das Steuerruder sein muss — mit dem allgemeinsten Worte „Eitelkeit“, „vanitas“ bezeichnet und gebrandmarkt, eines der vollsten und inhaltreichsten Dinge mit einem Ausdruck, welcher dasselbe als das eigentlich Leere und Nichtige bezeichnet, etwas Grosses mit einem Deminutivum, ja mit den Federstrichen der Carricatur. Es hilft Nichts, wir müssen solche Worte gebrauchen, aber dabei unser Ohr den Einflüsterungen alter Gewohnheit verschliessen.