Facta Ficta

vitam impendere vero

Nietzsche thinking

[MA-WS-72]

Göttliche Missionäre

Auch Sokrates fühlt sich als göttlichen Missionär: aber ich weiss nicht, was für ein Anflug von attischer Ironie und Lust am Spaassen auch selbst hierbei noch zu spüren ist, wodurch jener fatale und anmaassende Begriff gemildert wird. Er redet ohne Salbung davon: seine Bilder, von der Bremse und dem Pferd, sind schlicht und unpriesterlich, und die eigentlich religiöse Aufgabe, wie er sie sich gestellt fühlt, den Gott auf hunderterlei Weise auf die Probe zu stellen, ob er die Wahrheit geredet habe, lässt auf eine kühne und freimüthige Gebärde schliessen, mit der hier der Missionär seinem Gotte an die Seite tritt. Jenes Auf-die-Probe-Stellen des Gottes ist einer der feinsten Compromisse zwischen Frömmigkeit und Freiheit des Geistes, welche je erdacht worden sind. — Jetzt haben wir auch diesen Compromiss nicht mehr nöthig.