Facta Ficta

vitam impendere vero

Nietzsche thinking

[MA-WS-95]

Unsere Prosa

Keines der jetzigen Culturvölker hat eine so schlechte Prosa wie das deutsche; und wenn geistreiche und verwöhnte Franzosen sagen: es giebt keine deutsche Prosa, — so dürfte man eigentlich nicht böse werden, da es artiger gemeint ist, als wir’s verdienen. Sucht man nach den Gründen, so kommt man zuletzt zu dem seltsamen Ergebniss, dass der Deutsche nur die improvisirte Prosa kennt und von einer anderen gar keinen Begriff hat. Es klingt ihm schier unbegreiflich, wenn ein Italiäner sagt, dass Prosa gerade um soviel schwerer sei als Poesie, um wieviel die Darstellung der nackten Schönheit für den Bildhauer schwerer sei, als die der bekleideten Schönheit. Um Vers, Bild, Rhythmus und Reim hat man sich redlich zu bemühen, — das begreift auch der Deutsche und ist nicht geneigt, der Stegreifdichtung einen besonders hohen Werth zuzumessen. Aber an einer Seite Prosa wie an einer Bildsäule arbeiten? — es ist ihm, als ob man ihm Etwas aus dem Fabelland vorerzählte.