Facta Ficta

vitam impendere vero

Nietzsche thinking

[JGB-21]

Die causa sui ist der beste Selbst-Widerspruch, der bisher...

Die causa sui ist der beste Selbst-Widerspruch, der bisher ausgedacht worden ist, eine Art logischer Nothzucht und Unnatur: aber der ausschweifende Stolz des Menschen hat es dahin gebracht, sich tief und schrecklich gerade mit diesem Unsinn zu verstricken. Das Verlangen nach „Freiheit des Willens“, in jenem metaphysischen Superlativ-Verstande, wie er leider noch immer in den Köpfen der Halb-Unterrichteten herrscht, das Verlangen, die ganze und letzte Verantwortlichkeit für seine Handlungen selbst zu tragen und Gott, Welt, Vorfahren, Zufall, Gesellschaft davon zu entlasten, ist nämlich nichts Geringeres, als eben jene causa sui zu sein und, mit einer mehr als Münchhausen’schen Verwegenheit, sich selbst aus dem Sumpf des Nichts an den Haaren in’s Dasein zu ziehn. Gesetzt, Jemand kommt dergestalt hinter die bäurische Einfalt dieses berühmten Begriffs „freier Wille“ und streicht ihn aus seinem Kopfe, so bitte ich ihn nunmehr, seine „Aufklärung“ noch um einen Schritt weiter zu treiben und auch die Umkehrung jenes Unbegriffs „freier Wille“ aus seinem Kopfe zu streichen: ich meine den „unfreien Willen“, der auf einen Missbrauch von Ursache und Wirkung hinausläuft. Man soll nicht, „Ursache“ und „Wirkung“ fehlerhaft verdinglichen, wie es die Naturforscher thun (und wer gleich ihnen heute im Denken naturalisirt —) gemäss der herrschenden mechanistischen Tölpelei, welche die Ursache drücken und stossen lässt, bis sie „wirkt“; man soll sich der „Ursache“, der „Wirkung“ eben nur als reiner Begriffe bedienen, das heisst als conventioneller Fiktionen zum Zweck der Bezeichnung, der Verständigung, nicht der Erklärung. Im „An-sich“ giebt es nichts von „Causal-Verbänden“, von „Nothwendigkeit“, von „psychologischer Unfreiheit“, da folgt nicht „die Wirkung auf die Ursache“, das regiert kein „Gesetz“. Wir sind es, die allein die Ursachen, das Nacheinander, das Für-einander, die Relativität, den Zwang, die Zahl, das Gesetz, die Freiheit, den Grund, den Zweck erdichtet haben; und wenn wir diese Zeichen-Welt als „an sich“ in die Dinge hineindichten, hineinmischen, so treiben wir es noch einmal, wie wir es immer getrieben haben, nämlich mythologisch. Der „unfreie Wille“ ist Mythologie: im wirklichen Leben handelt es sich nur um starken und schwachen Willen. — Es ist fast immer schon ein Symptom davon, wo es bei ihm selber mangelt, wenn ein Denker bereits in aller „Causal-Verknüpfung“ und „psychologischer Nothwendigkeit“ etwas von Zwang, Noth, Folgen-Müssen, Druck, Unfreiheit herausfühlt: es ist verrätherisch, gerade so zu fühlen, — die Person verräth sich. Und überhaupt wird, wenn ich recht beobachtet habe, von zwei ganz entgegengesetzten Seiten aus, aber immer auf eine tief persönliche Weise die „Unfreiheit des Willens“ als Problem gefasst: die Einen wollen um keinen Preis ihre „Verantwortlichkeit“, den Glauben an sich, das persönliche Anrecht auf ihr Verdienst fahren lassen (die eitlen Rassen gehören dahin —); die Anderen wollen umgekehrt nichts verantworten, an nichts schuld sein und verlangen, aus einer innerlichen Selbst-Verachtung heraus, sich selbst irgend wohin abwälzen zu können. Diese Letzteren pflegen sich, wenn sie Bücher schreiben, heute der Verbrecher anzunehmen; eine Art von socialistischem Mitleiden ist ihre gefälligste Verkleidung. Und in der That, der Fatalismus der Willensschwachen verschönert sich erstaunlich, wenn er sich als „la religion de la souffrance humaine“ einzuführen versteht: es ist sein „guter Geschmack“.