[JGB-220]
Bei dem jetzt so volksthümlichen Lobe des...
Bei dem jetzt so volksthümlichen Lobe des „Uninteressirten“ muss man sich, vielleicht nicht ohne einige Gefahr, zum Bewusstsein bringen, woran eigentlich das Volk Interesse nimmt, und was überhaupt die Dinge sind, um die sich der gemeine Mann gründlich und tief kümmert: die Gebildeten eingerechnet, sogar die Gelehrten, und wenn nicht Alles trügt, beinahe auch die Philosophen. Die Thatsache kommt dabei heraus, dass das Allermeiste von dem, was feinere und verwöhntere Geschmäcker, was jede höhere Natur interessirt und reizt, dem durchschnittlichen Menschen gänzlich „uninteressant“ scheint: — bemerkt er trotzdem eine Hingebung daran, so nennt er sie „désintéressé“ und wundert sich, wie es möglich ist, „uninteressirt“ zu handeln. Es hat Philosophen gegeben, welche dieser Volks-Verwunderung noch einen verführerischen und mystisch-jenseitigen Ausdruck zu verleihen wussten (— vielleicht weil sie die höhere Natur nicht aus Erfahrung kannten?) — statt die nackte und herzlich billige Wahrheit hinzustellen, dass die „uninteressirte“ Handlung eine sehr interessante und interessirte Handlung ist, vorausgesetzt..... „Und die Liebe?“ — Wie! Sogar eine Handlung aus Liebe soll „unegoistisch“ sein? Aber ihr Tölpel —! „Und das Lob des Aufopfernden?“ — Aber wer wirklich Opfer gebracht hat, weiss, dass er etwas dafür wollte und bekam, — vielleicht etwas von sich für etwas von sich — dass er hier hingab, um dort mehr zu haben, vielleicht um überhaupt mehr zu sein oder sich doch als „mehr“ zu fühlen. Aber dies ist ein Reich von Fragen und Antworten, in dem ein verwöhnterer Geist sich ungern aufhält: so sehr hat hier bereits die Wahrheit nöthig, das Gähnen zu unterdrücken, wenn sie antworten muss. Zuletzt ist sie ein Weib: man soll ihr nicht Gewalt anthun.