[MA-276]
Mikrokosmus und Makrokosmus der Cultur
Die besten Entdeckungen über die Cultur macht der Mensch in sich selbst, wenn er darin zwei heterogene Mächte waltend findet. Gesetzt, es lebe Einer eben so sehr in der Liebe zur bildenden Kunst oder zur Musik als er vom Geiste der Wissenschaft fortgerissen werde, und er sehe es als unmöglich an, diesen Widerspruch durch Vernichtung der einen und volle Entfesselung der anderen Macht aufzuheben: so bleibt ihm nur übrig, ein so grosses Gebäude der Cultur aus sich zu gestalten, dass jene beiden Mächte, wenn auch an verschiedenen Enden desselben, in ihm wohnen können, während zwischen ihnen versöhnende Mittelmächte, mit überwiegender Kraft, um nöthigen falls den ausbrechenden Streit zu schlichten, ihre Herberge haben. Ein solches Gebäude der Cultur im einzelnen Individuum wird aber die grösste Aehnlichkeit mit dem Culturbau in ganzen Zeitperioden haben und eine fortgesetzte analogische Belehrung über denselben abgeben. Denn überall, wo sich die grosse Architektur der Cultur entfaltet hat, war ihre Aufgabe, die einander widerstrebenden Mächte zur Eintracht vermöge einer übermächtigen Ansammelung der weniger unverträglichen übrigen Mächte zu zwingen, ohne sie desshalb zu unterdrücken und in Fesseln zu schlagen.