[MA-VM-319]
Vom „Volke der Denker“ (oder des schlechten Denkens)
Das Undeutliche, Schwebende, Ahnungsvolle, Elementarische, Intuitive — um für unklare Dinge auch unklare Namen zu wählen — was man dem deutschen Wesen nachsagt, wäre, wenn es thatsächlich noch bestünde, ein Beweiss, dass seine Cultur um viele Schritte zurückgeblieben und noch immer von Bann und Luft des Mittelalters umschlossen wäre. — Freilich liegen in einer solchen Zurückgebliebenheit auch einige Vortheile: die Deutschen wären mit diesen Eigenschaften — wenn sie dieselben, nochmals gesagt, jetzt noch besitzen sollten — zu einigen Dingen, und namentlich zum Verständniss einiger Dinge, befähigt, zu welchen andere Nationen alle Kraft verloren haben. Und sicherlich geht viel verloren, wenn der Mangel an Vernunft — das heisst eben, das Gemeinsame in jenen Eigenschaften — verloren geht: aber hier giebt es auch keine Einbusse ohne den höchsten Gegengewinn, so dass jeder Grund zum Jammern fehlt, vorausgesetzt, dass man nicht wie Kinder und Leckerhafte die Früchte aller Jahreszeiten zugleich geniessen will.