[MA-WS-167]
Wo die Musik heimisch ist
Die Musik erlangt ihre grosse Macht nur unter Menschen, welche nicht discutiren können oder dürfen. Ihre Förderer ersten Ranges sind desshalb Fürsten, welche wollen, dass in ihrer Nähe nicht viel kritisirt, ja, nicht einmal viel gedacht werde; sodann Gesellschaften, welche, unter irgend einem Drucke (einem fürstlichen oder religiösen) sich an das Schweigen gewöhnen müssen, aber um so stärkere Zaubermittel gegen die Langeweile des Gefühls suchen (gewöhnlich die ewige Verliebtheit und die ewige Musik); drittens ganze Völker, in denen es keine „Gesellschaft“ giebt, aber um so mehr Einzelne mit einem Hang zur Einsamkeit, zu halbdunklen Gedanken und zur Verehrung alles Unaussprechlichen: es sind die eigentlichen Musikseelen. — Die Griechen, als ein red- und streitlustiges Volk, haben desshalb die Musik nur als Zukost zu Künsten vertragen, über welche sich wirklich streiten und reden lässt: während über die Musik sich kaum reinlich denken lässt. — Die Pythagoreer, jene Ausnahme-Griechen in vielen Stücken, waren, wie verlautet, auch grosse Musiker: die selben, welche das fünfjährige Schweigen, aber nicht die Dialektik erfunden haben.