[MA-WS-40]
Die Bedeutung des Vergessens in der moralischen Empfindung
Die selben Handlungen, welche innerhalb der ursprünglichen Gesellschaft zuerst die Absicht auf gemeinsamen Nutzen eingab, sind später von anderen Generationen auf andere Motive hin gethan worden: aus Furcht oder Ehrfurcht vor Denen, die sie forderten und anempfahlen, oder aus Gewohnheit, weil man sie von Kindheit an um sich hatte thun sehen, oder aus Wohlwollen, weil ihre Ausübung überall Freude und zustimmende Gesichter schuf, oder aus Eitelkeit, weil sie gelobt wurden. Solche Handlungen, an denen das Grundmotiv, das der Nützlichkeit, vergessen worden ist, heissen dann moralische: nicht etwa, weil sie aus jenen anderen Motiven, sondern weil sie nicht aus bewusster Nützlichkeit gethan werden. — Woher dieser Hass gegen den Nutzen, der hier sichtbar wird, wo sich alles lobenswerthe Handeln gegen das Handeln um des Nutzens willen förmlich abschliesst? — Offenbar hat die Gesellschaft, der Heerd aller Moral und aller Lobsprüche des moralischen Handelns, allzu lange und allzu hart mit dem Eigen-Nutzen und Eigen-Sinne des Einzelnen zu kämpfen gehabt, um nicht zuletzt jedes andere Motiv sittlich höher zu taxiren, als den Nutzen. So entsteht der Anschein, als ob die Moral nicht aus dem Nutzen herausgewachsen sei: während sie ursprünglich der Gesellschafts-Nutzen ist, der grosse Mühe hatte, sich gegen alle die Privat-Nützlichkeiten durchzusetzen und in höheres Ansehen zu bringen.